Geburtstag
Zum Geburtstag kommen liebe Gäste. Ob eingeladen oder nicht. Bringen was man nicht braucht als Geschenk. 1€-Artikel aus dem Ramschladen. Das Geburtstagskind öffnet die Tür, in Latzarbeitshose und Kampfjacke mit Pelzkragen, nach längerem Sturmschellen.
Auf dem Wohnzimmertisch liegt eine Wachstischdecke mit Zwiebelmuster. Der abgepackte, tiefgefrorene Kuchen aus dem Billigsupermarkt steht neben der Kerze und den Papptellern. Das Geburtstagskind hat Urlaub und trotzdem hat er Arbeitssachen an, so, als wäre er gerade von der Arbeit gekommen.
Die Sahnetorte schmeckt sehr gut, sagt seine Frau lobend und versucht sie in Stücke zu hacken. Die Kaffeemaschine grunzt aus der Küche und die gefrorene Torte wird auf die Teller verteilt.
Es ist Ende November und im Wohnzimmer sind es um O Grad. Die Fensterscheiben sind beschlagen. Löslicher Kaffee geht um. Die Kaffeemaschine blubbert ohne Kaffeemehl, nur heißes, bräunliches Wasser. Bohnenkaffee ist aus. Sie haben den Kaffee beim Einkaufen vergessen.
„Ist die Heizung kaputt oder habt ihr nicht bezahlt? Es ist saukalt hier!“
Es schneit und hagelt draußen.
„Wenn euch kalt ist, lasst die Jacken an!“, meint der Gastgeber, „Die Heizung ist nicht kaputt. Aber je weniger wir heizen, umso mehr Geld bekommen wir am Ende des Jahres zurück. Gleich kommen noch die Kollegen von der Maloche. Dann wird euch schnell warm. Wer will eine Gallone zum Aufwärmen?“
„Bier? Jetzt? Es ist gerade 15:00 Uhr, nein danke!“
Der Gastgeber erzählt Blondinenwitze. Seine Formulierung ist auf wenige Vokabeln reduziert. Jetzt rülpst er auch noch ganz selbstverständlich mitten im Satz, lacht höhnisch und kommt zur Poente seines sexistischen Witzes. Provokative 1.90m lachen fett, atmen durch und drehen sich zum pubertären Sohn, der geistesabwesend am Computer sitzt.
„Du Sau!“, ihm zurufend, wendet er sich wieder seinen schnöden Witzen zu.
Der Sohn lacht peinlich berührt, sieht kurz hoch und antwortet schlagfertig: „Selber Sau!“ und wendet sich wieder seinem Computerspiel zu. Niemand reagiert.
„Du musst ein Schwein sein…“ plärrt aus der neuesten Musikanlage, hinter der Wohnzimmertür, in der sich ursprünglich mal eine Glasscheibe befand.
Die Werbung aus dem Fernseher knallt alles, was man kaufen soll lautstark in das kalte Zimmer. Die Reklame wird für einen Kinofilmhinweis unterbrochen. Der geistreiche Witzerzähler hat überall Ohren. „Haltet mal die Fresse, den Film müsst ihr unbedingt sehen. Der ist richtig geil, ey!“
Plötzlich zischt ein Furz ins kleine Wohnzimmer über den Tisch. So, als wenn jemand kurz, aber kräftig ein Pfund gezischt hätte. Irgendjemand hat Blähungen. Niemand reagiert. Es stinkt bestialisch nach verfaulten Eiern.
Spöttisch schreit der Gastgeber seine Gäste an: „Welche Drecksau war das?“
© Heidrun-Auro Brenjo
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